Sie sind berühmt berüchtigt und ebenso gefürchtet: Die Kommentare, welche Leser der Basler Zeitung Tag für Tag im Online-Forum niederschreiben, erwecken das Bild einer düsteren Welt. Eine von renommierten Historikern kritisch kommentierte Sammlung soll nun einem möglichen Missbrauch der Hetzschriften entgegenwirken.
Nächster Coup für das renommierte Institut für Zeitgeschichte: Nachdem man erst vor wenigen Tagen den internationalen Buchmarkt mit der Neuauflage von Adolf Hitlers "Mein Kampf" aufgemischt hatte, informierte das Münchener Institut zu Beginn dieser Woche über die kommenden Publikationen im hauseigenen Verlag. Obwohl die "Kritische Edition" von Hitlers Werk in der Schweiz bisher auf wenig Resonanz gestossen war, drängt das IfZ nun erstmals in den Schweizer Markt: Zum ersten Mal überhaupt sollen ausgewählte Leserkommentare der Basler Zeitung in Buchform erscheinen. Ergänzt werden die teilweise befremdlichen literarischen Ergüsse mit kritischen Kommentaren von Historikern. Ihr erklärtes Ziel: Sie wollen wissenschaftliche Gegenargumente zu den Propagandatexten des Blattes und ihrer Leser liefern.
Erscheint bald im Handel (Bild:zvg) |
Ein fünfzehnköpfiges Historikerteam hat in mehrjähriger Arbeit die Kommentare umfassend aufbereitet: Im Zentrum der kritischen Betrachtung stehen die Dekonstruktion und die Kontextualisierung der Kommentare: Welche Absichten werden damit verfolgt? Welchen gesellschaftlichen Rückhalt besitzen die BaZ-Leser? Welche Folgen hatten die Leserkommentare? Und vor allem: Was lässt sich mit dem Stand unseres heutigen Wissens den unzähligen Behauptungen, Lügen und Absichtserklärungen, die darin zum Ausdruck gebracht wurden, entgegensetzen?
Dies ist nicht nur eine historiografische Aufgabe. Angesichts des hohen Symbolwerts, den die Basler Zeitung trotz ihren teils extremen Positionen noch immer hat, ist die kritische Aussenbetrachtung der Leserkommentare auch ein Beitrag zur historisch-politischen Aufklärung im 21. Jahrhundert.
Mehr als 1000 Seiten lang soll die Ausgabe sein, wie der stellvertretende Institutsdirektor Magnus Brechtken auf Anfrage mitteilte. Mehr als 700 Seiten stammen direkt aus dem Online-Forum der Basler Zeitung, den Rest machen die wissenschaftlichen Kommentare sowie Einleitung und Register aus. Das Projekt läuft schon seit einigen Jahren und befindet sich nun im Endspurt.
Die an der Produktion nicht direkt beteiligte Zeitung kann die aus Lizengebühren und Umsatzbeteiligung generierten Einnahmen bestens gebrauchen. Erst vor wenigen Wochen war die Printausgabe auf zwei Bünde zusammengeschrumpft und auch der kostenpflichtige Online-Zusatzcontent BaZ+ konnte sich seit dessen Einführung noch nicht etablieren.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen