Freitag, 15. Dezember 2017

IV-Ermittler fürchten durch GPS-Tracker und Drohnen ersetzt zu werden

Geht es nach dem Ständerat, so soll die IV künftig, falls ein Verdacht auf Missbrauch vorliegt, die Befugniss haben Menschen mit GPS-Peilsender zu überwachen. Direktbetroffenen bereitet dies Kopfschmerzen.


Machen Drohnen und GPS-Tracker menschliche Detektive bald überflüssig? (Bild: colourbox/bb)

Am Donnerstagmorgen hatte eine deutliche Mehrheit in der bürgerlich dominierten kleinen Kammer einer Vorlage der ständerätlichen Sozialkommission deutlich mit 32:8 Stimmen zugestimmt. Nicht überall sorgte diese Meldung für Freude. Neben den IV-Bezüger*innen, gegen die schon bald schweres Geschoss aufgefahren wird, bereiten die technischen Neuerungen auch so manchem IV-Detektiv schlaflose Nächte. Sie fürchten nichts geringeres, als den Verlust ihrer Arbeitsstelle.

Schon seit Monaten soll bei den Ermittlern ein Klima der Angst und Verunsicherung herrschen. Zwar sei die Auftragslage stabil, doch die Vorstösse der bürgerlichen Parlamentarier, die IV-Bezüger mit GPS-Peilsender überwachen wollen, hing seit Monaten wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Detektive. Nicht wenige befürchten, dass mit den neuen Befugnissen immer mehr Aufgaben an die Maschinen delegiert werden und ein Grossteil der langjährigen Angestellten schon bald Restrukturierungsmassnahmen zum Opfer fallen dürfte. 

Rainer H.* arbeitet seit 1989 ununterbrochen bei der Suva. Der 54-Jährige entdeckte seine Berufung zum Detektiv mit 22 als er beim Stalken seiner Ex-Freundin zufällig beobachtete, wie ein Jugendlicher aus dem Pfarrhaus einen Playboy klaute, ihm unauffällig folgte und schliesslich die Polizei verständigte, die den Täter mit Gummigeschoss zur Vernunft brachte und das Heftchen unversehrt an seinen Besitzer retournierte. Später bewarb er sich nach der abgebrochenen Polizeischule bei der Suva als Detektiv, wo er bis heute tätig ist. 

Herr H.*, was ging Ihnen durch den Kopf als gestern Donnerstag die Push-Benachrichtigung auf Ihrem Natel aufpoppte, wonach der Ständerat IV-Bezüger künftig per GPS-Peilsender und sogar Drohnen überwachen lassen möchte?

Zunächst einmal möchte ich klarstellen, dass ich der Technik nicht feindlich gesinnt bin. In meinen Arbeitspausen spiele ich auf meinem Smartphone gerne das Spiel "Candy Crush", tausche mit alten Schulkameraden auf Whatsapp Videos aus oder lasse via Facebook meinen 6 verbliebenen Emotionen (Gefällt mir, Love, Haha, Wow, Traurig, Wütend, Anm. d. Redaktion) freien Lauf. Aber wenn ich und meine Kollegen schon bald durch moderne technische Geräte ersetzt werden sollen, bereitet mir das natürlich schon Kopfzerbrechen. 

Weshalb braucht es in Ihren Augen Menschen und nicht Maschinen, um andere Menschen zu überwachen? 

Schauen Sie, ich habe eine Erfahrung von 30 Jahren auf dem Beruf, dass kann kann man weder in einen Peilsender, noch in eine Drohne einbauen. Es kommt einer Unterwerfung gegenüber den Robotern und Maschinen gleich, wenn wir nur noch blind deren Daten Glauben schenken. 

Sollten Sie tatsächlich Ihre Stelle verlieren, haben Sie schon eine Idee für die Zeit bis zur Rente?

Nein, darüber wollte ich mir bisher auch nicht Gedanken machen. Ich könnte mir aber vorstellen den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen, eine eigene Detektei zu gründen und meine Dienste und Know-How beispielsweise Versicherungsunternehmen anzubieten. Marschieren die Bürgerlichen im Parlament durch und privatisieren sie die Sozialversicherungen, könnten in ein paar Jahren ja vielleicht sogar staatliche Aufträge winken. Bis dahin bin ich vielleicht aber auch schon in Rente. Thailand oder Spanien würden mich reizen.

Eine beliebte Destination für den Lebensabend bei Schweizer Rentnern...

..und ein Hotspot für Betrüger! Als Freelancer in der Missbrauchsbekämpfung verdient sich so mancher Rentner im Ausland einen schönen Zustupf zur AHV-Rente. 

Nochmals zurück zur derzeitigen Situation. Nicht selten kommt es vor, dass man nach einer überraschenden Entlassung in ein Loch fällt und via RAV bis in die Sozialhilfe rutscht. Hat man bei den IV-Ermittlern nicht Angst schon bald selber überwacht zu werden, womöglich gar von GPS-Tracker und Drohnen statt von den alten Kollegen?

Diese Vorstellung ist paradox. In den letzten Wochen und Monaten haben sich die Krankmeldungen bei uns leider tatsächlich gehäuft. Die Gerüchte waren ja schon länger im Umlauf, die Abstimmungsresultate im Parlament vorhersehbar. Aber zum auf Ihre Frage zurückzukommen: Vielleicht wäre das am Ende auch der Moment, wo wir anfangen müssten uns zu fragen, ob das aktuelle Modell der Sozialversicherung in unserer durchautomatisierten Epoche noch zeitgemäss ist.


Themenbezogene Interessen (-bindung) der Autorin/des Autors
vertraulich

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