Samstag, 25. April 2015

«Eine erhöhte Polizeipräsenz in und um Stadien würde zu einer Deeskalation führen»

Eine Sondereinheit der Polizei sorgt für Ruhe in einem Fussballstadion (Bild: Keystone)
Nach wiederholten Ausschreitungen an Rande von Fussballspielen herrscht im ganzen Land Verunsicherung. Im Fokus stehen vor allem die Anhänger des FC Zürich, die heute Abend trotz Hausverbot im Brügglifeld nach Aarau reisen möchten. Im Gespräch kritisiert der Hooliganismus-Experte Dölf Brack Stehplätze in Fussballstadien scharf und verweist auf das Mutterland des Fussballs England.

Herr Brack, wo befinden Sie sich gerade?

Ich und sieben Mitglieder der KKJPD (Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren, Anm d. Red.) befinden uns momentan auf einer mehrwöchigen Tour durch England, wo man das Hooligan-Problem schon seit Jahren im Griff hat. Gemeinsam mit einheimischen Behörden besuchen wir Spiele der Premier League und versuchen Lösungsansätze zu finden, die wir auch in der Schweiz anwenden könnten.

Sie sprechen die Probleme in der Schweiz an. Was läuft hier falsch? Weshalb kommt es hier fast jedes Wochenende zu schlimmen Ausschreitungen und in England beispielsweise überhaupt nicht mehr?

Das Problem in der Schweiz ist meist hausgemacht. Das fängt schon damit an, dass die Vereine den Hooligans und Ultras die günstigen Stehplatzkurven zur Verfügung stellen, was wenig überraschend Leute aus einkommensschwächeren Schichten anzieht, die tendenziell einen Hang zur Kriminalität und Gewalt haben.

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass eine Abschaffung der Stehplätze und eine Erhöhung der Eintrittspreise die Lösung wäre?

Genau, hier in England hat man damit schon in den 1990er-Jahren die Hooligans aus den Stadien verbannt.

Was für Spiele haben Sie gemeinsam mit dem KKJPD-Gremium besucht?

Wir haben diverse Meisterschafts- und Pokalpartien von Top-Vereinen wie Manchester United, Chelsea oder Arsenal besucht.

Wie Sie sicher mitbekommen haben, hat die Kantonspolizei Aargau den Anhängern des FC Zürich verboten die heutige Auswärtspartie gegen den FC Aarau im Stadion zu besuchen. Der «harte Kern» der Südkurve möchte aber trotzdem nach Aarau reisen. Ist das nicht ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen Polizei und Fans, das auf Dauer von niemanden gewonnen werden kann?

Nein, da muss man differenzieren. Die Polizei als Staatsgewalt darf vor solchen Unholden nicht kuschen. Für mich beweist dieses Verhalten einmal mehr, dass es den selbsternannten Fussballfans gar nicht um den Sport geht. Wenn ein Fussballer in einem Spiel die rote Karte sieht, muss er die ihm auferlegte Spielsperre ja auch akzeptieren, warum sollte das für Fankurven nicht auch gelten?

Man hört oft, dass nur ein kleiner Prozentsatz der Fans gewalttätig ist und man nicht alle Besucher einer Fankurve in einen Topf schmeissen sollte.

Damit bin ich überhaupt nicht einverstanden. Ich mache Ihnen ein Beispiel: Wenn Sie auf offener Strasse Zeuge eines Raubüberfalls werden und dies der Justiz verschweigen, machen Sie sich mitschuldig. Im Umkehrschluss heisst für mich, dass wenn Sie als friedlicher Matchbesucher beobachten wie ein Hooligan eine Pyro-Petarde zündet, Sie das umgehend der Stadionsicherheit melden müssen. Erst am vergangenen Wochenende besuchten wir im Wembley-Stadion das Cup-Halbfinale zwischen Reading und Arsenal. 90'000 Zuschauer sorgten für eine super Stimmung und all das ohne Pyros, Böller und Gewalt. Es hätte sogar die Möglichkeit gegeben mittels Handy auffällig gewordene Besucher, die zum Beispiel einen über den Durst getrunken haben, dem Sicherheitsdienst zu melden.

Wäre das eine Möglichkeit, die auch in der Schweiz Abhilfe schaffen könnte?

Die technischen Möglichkeiten wären ja gegeben: Fast jeder Schweizer besitzt ein Smartphone. Zunächst müsste man aber die Stehplätze abschaffen und die Tickets personalisieren. Eine Identifizierung der Chaoten wäre damit schon einen grossen Schritt einfacher. Noch wichtiger wäre, dass sich auch die Vereine endlich klar positionieren. Wenn tatsächlich nur ein kleiner Prozentsatz für Unruhe sorgt, weshalb schliesst man diese 1-2 Prozent nicht endgültig aus?

Haben Hooligans den Schweizer Fussball und die Funktionäre im Würgegriff?

Es scheint fast so zu sein. In Deutschland, wo rigoros gegen die Gewaltäter vorgegangen wird, auch mit Polizeigewalt, gibt es kaum noch nennenswerte Vorfälle. Hier in der Schweiz hingegen wurde die Unsitte eines runden Tisches mit den Fans eingeführt. Definitiv der falsche Weg! So stellen sich die Unverbesserlichen über die normalen Fans und spielen ihre Macht aus.

Existieren Alternativen zum Dialog? Braucht es mehr Repression?

Eine erhöhte Polizeipräsenz in und um Stadien würde sicher zu einer Deeskalation führen. Bei Vergehen sollten die Täter auch einmal 24 Stunden lang eingesperrt werden können. So müssten sie dann ihrem Arbeitgeber erklären, weshalb sie nicht zur Arbeit erscheinen können.

Bernhard Heusler, Präsident vom FC Basel, hält nichts davon.

Ja, dieser Herr Heusler... (seufzt) Schlussendlich hilft er nur diese Personen aus mir unverständlichen Gründen zu decken. Gerne würde ich es sehen, wenn auch er für die Taten dieser belangt werden könnte.

Mit Verlaub, dies wäre aber nicht wirklich im Sinne unseres Rechtsstaates, oder?

Ein Fussballstadion kann man mit dem Leben ausserhalb auch schwer vergleichen. (hustet)

Sie klingen erkältet. Gute Besserung!

Halb so wild. Das kommt von meiner fast 40-jährigen Karriere als Raucher. 

Was halten Sie als Raucher von einem Rauchverbot in Sportstätten, wie es auch in England üblich ist? Stört Sie das?
Und wie! Ab und zu erwische ich mich sogar wie ich mir trotzdem eine Zigarette anzünde. Nur wegen einem kleinen Prozentsatz von unverbesserlichen Qualmer, die ihre Stümmel rücksichtslos auf dem Boden entsorgen, darf man doch nicht die alle Raucher in einen Topf schmeissen. 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen